WELEDAs Zäsur im Shelf

Die Weleda AG kann auf ein ereignisreiches Jahr zurückblicken: Internationalisierung. Restrukturierung. Limited Editions. Kooperationen. Neuprodukte & Markenrelaunch:
Um neue Zielgruppen anzusprechen, wurde das Erscheinungsbild modernisiert. Während mich als Beobachter die Überarbeitung des Weleda-Schriftzugs überzeugt, irritiert der Logo-Zusatz „Swiss Natural Science“ zunächst stark ..

Warum?
Weleda wurde 1921 u.a. von Rudolf Steiner gegründet. Steiner legte das geistige Fundament für die Produktion anthroposophischer Heilmittel & Kosmetik, Name & Logo sind von ihm geprägt. Fans sehen Weleda u.a. deshalb als eine authentisch anthroposophische Marke.
Anthroposophie ist umstritten (z.B. hinterfragte Wissenschaftlichkeit) – die Herkunft ist eine starke Wurzel, limitiert aber auch (Zielgruppe, Zeitgeist, Zugänglichkeit).

Das jetzige „Abräumen“ eines von Steiner entworfenen Weleda-Zeichens – eine Kombination des Äskulapstabs und des Geben-/Nehmen-Symbols – im Markenraum des Logos hin zu einem „Natural Science“-Zusatz erscheint zunächst als Kotau an Zeitgeist & Mainstream.

Beim Eintauchen in die Historie merkt man aber, dass das eigene Bild einer „authentisch anthroposophischen Marke“ fragwürdig ist. Das Gründerteam bestand aus einem Anthroposophen (Steiner), einem Chemiker (Schmiedel) & einer Ärztin (Wegman) – das war – wenn man so will – nie 100% Anthroposophie pur. Es war anthroposophisches Gedankengut verbunden mit wissenschaftlicher Methodik.

Vor diesem Hintergrund ist interessant, sich nochmals die Packaging-Entwicklung anzuschauen:
Weleda Naturkosmetik präsentierte sich viele Jahre in naturfarbenen Verpackungen. Ätherleib, natürliche Farbverläufe, Waldorf-Schrift, Pflanzenfokus – all das ein Ausdruck des anthroposophischen Ursprungs und damit auch von Steiner. Das Naturwissenschaftliche (Schmiedel) oder Medizinische (Wegman) ging im Auftritt eher unter. Im Lauf der Zeit wurden anthroposophische Gestaltungselemente heruntergefahren; durch das Verändern der Informationsarchitektur (mehr Zielgruppenansprache, Benefitauslobung, Guidance), die Marke immer auch breitenwirksamer, konsumiger.

Nun sehen wir einen neuen Höhepunkt der Entwicklung:
Mit dem Relaunch wird die Marke erneut zugänglicher, mainstreamiger – auch auf der Hauptlinie.
Die Balance zwischen Anthroposophie, Wissenschaftlichkeit & Kosmetik ist neu. Codes „moderner Kosmetik“ treten nach vorn.

Bei diesem Bsp. ist der Auftritt cleaner, funktionaler, die Pflanze nur noch Prägung und Produkt-RtB.
Im Fokus ein Leistungsversprechen:
Anti-Aging, weniger Falten, Kollagen-Boost.

Meine Meinung:
Vielleicht etwas früh für ein Fazit. Klar ist aber: man erzeugt Guidance, Anschlussfähigkeit, vmtl. Wachstum …
Doch die neue Zugänglichkeit hat auch einen Preis.
Man verliert etwas:
Distinktionskraft. Aura. Wärme.
Ein Stück Herkunft & Stimmigkeit.

… vmtl. ist es am Ende aber eine Frage der Gewöhnung.

 

von Geoffrey Hildbrand

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